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Album des Windes - Kurzgeschichten

Wortschwall

 

Ich bin in der letzten Zeit oft sehr müde. Mag sein, dass es am Wetter liegt. Aber ich ahne, eigentlich ist es eher nicht das Wetter. Nein, diese Müdigkeit, sie hat wirklich nichts mit dem Wetter zutun. Das Wetter als Thema, das ist einfach überstrapaziert. Es sind wohl eher die vielen Menschen um mich herum, wenn ich ganz ehrlich mit mir bin, die mich ermüden.

Bereits kurz nach dem Erwachen, da höre ich Stimmen aus dem Radio, vernehme sie aus dem Fernseher oder von der Straße unten. Ich erkenne viele Stimmen, nehme jedoch nur die lautesten, die markantesten von ihnen wirklich wahr. Verlasse ich das Haus, so sind überall, diese garstigen Menschenlaute.

Die Leute schleudern mit vielen seltsamen Worten um sich, als wären sie schwere, nasse Leinenlappen. Immer wieder landen sie mir dabei laut klatschend im Gesicht. Überall hört man das Geräusch dieser triefenden Worten. Man kann sich dem Lärm kaum entziehen. Mir endlos erscheinende Worttiraden, die Leute kratzen sie mir scharfkantig und schmerzhaft direkt unter meine Nase. Fast alle werfen gedankenlos mit Wörtern um sich und achten nur selten darauf, was sie wirklich bedeuten. Während die Menschen damit beschäftigt sind, sich dieser Schlacht der Worte hinzugeben, nehmen sie kaum die Wörter ihrer Gegner zur Kenntnis. So geben sie sich einer wahren Orgie der Worte hin. Ich kann in alle dem, keinen wirklichen Sinn erkennen. Sie könnten auch Grunzen oder laut quiekend sich austauschen, vielleicht nur ihre Münder still bewegen. Alles das, es würde nichts ändern. Warum massenhaft Laute in üppige Buchstabengruppen packen und sie achtlos umher schleudern?

»Guten Morgen, wie geht es Ihnen?«
»Ach, es geht mir so schlecht.«
»Schönes Wetter wird es heute.«
»Mein Rücken, er schmerzt so sehr.«
»Gehen Sie heute auch ins Freibad.«
»Ich werde wohl bald operiert.«
»Nun, vielleicht sehen wir uns dann.«
»Haben Sie es auch mit dem Rücken?«
»Nein, aber es ist schön schattig dort.«

Den ganzen Tag lang geht das so. Alle reden und reden und haben sich doch nicht viel zu sagen. Sie sprechen aneinander vorbei. Man kann einfach nicht ausbrechen aus diesem ewigen Redeschwall. Immer findet man sich inmitten des Wortgewitters wieder. Es zischen und surren einem die leere Worthülsen regelrecht um die Ohren. Ganz fertig macht mich das, so richtig kaputt jeden Tag. Ich kann das einfach nicht mehr hören, es nicht mehr ertragen.

Nur noch ganz selten, da haben sie sich die Menschen wirklich etwas zu sagen. Leider ist das so. Dabei kann das Sprechen so viel Freude bereiten. Doch sie quälen sich lieber gegenseitig und bemerken es nicht einmal. Sie sind einsam, obwohl sie gemeinsam und laut ihre Worte in die Welt hinaus ballern. Sie wischen emsig auf ihren Smartphones herum, als würden sie dort Liebe, Anerkennung und Wertschätzung finden. Doch wertvolle Worte richtig tauschen, das geschieht heute nur noch wenig. Damit verkommt das Sprechen zu einer brutalen Zeitverschwendung. Lebenszeit scheint mir zu wertvoll zu sein, um sie derart zu vergeuden. Unendlich vieles hätten wir uns zu sagen. Eine ganze Welt gilt es, zu erzählen, sich gegenseitig zu beschreiben und in Worte zu malen. Es wird so einiges gesprochen. Doch leider herrscht überall eigentlich nur eine quälende Stille - eine Wortschwallstille

Autor: © Alexander Rossa 2019

Links zum Thema Wortschwall und Wasserfall der Worte
brigitte.de: Wieso kannst Du mir nicht zuhören
paradisi.de: Hilfreiche Tipps, um Egonzentrik zu vermeiden

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