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Oma Dunkels Buch (1)

Wir leben in wirklich seltsamen Zeiten. Während in weiten Teilen der Welt sich die Menschen voller Blutrunst zerfetzen oder in ihrem Elend verhungern, regt man sich hier bei uns, über glücklich lachende Kinder auf dem Spielplatz auf, oder man bekommt vor lauter Ärger einen Herzanfall, nur weil ein kleiner, zitternder Hund in seiner waldlosen Not seinen dampfenden Kotstrang auf die öffentliche Parkplatzbegrünung vor dem Haus abgelegt hat.

Die Menschen der westlichen Industriestaaten, sie werden zudem immer grotesker. Sie neigen dazu, sich vorzugsweise lieber täglich massiv abzuquälen oder sich das Fett von ihrem Hinterteil in ihr Gesicht spritzen zu lassen, als nicht dem Neid ihrer Nachbarn zu genügen. Das ist schon seltsam, oder?

Viele Menschen ziehen das unwirkliche Leben im Internet, dem wirklichen Leben vor und werden dabei krank, depressiv oder bringen sich in Folge nicht selten um. Manchmal direkt vor der Webcam und den Augen der virtuellen User-Freunde. Das Leben im Westen mit seinen Honigflüssen und den Goldgebirgen, es ist rastloser, unbarmherziger und unehrlicher geworden, wohl schlimmer noch, als es im Mittelalter bereits war. Wiederholt fasziniert mich die gnadenlose Ignoranz und Selbstherrlichkeit, die sich immer weiter bei uns und in unserer Nachbarschaft ausbreitet, als wären sie Unkraut und nur, um den gegenseitigen Respekt bei den Menschen allmählich zu ersticken.

In dieser seltsamen Welt um mich herum, dort wird alles hoffnungslos konsumiert und benutzt, bis es zerstört oder langweilig geworden ist, nur um sich dann gleich einem neuen Objekt der Begierde zuzuwenden. Wie gierige Heuschrecken, so fressen sie alles gnadenlos kahl, ohne sich mehr über Kleinigkeiten und einfache Schönheit wirklich freuen zu können. Oft erinnert mich das alles an Konsummaschinen, die sich an Schönheit, Emotionen und Wahrnehmung der Natur und ihrer Wesen kaum mehr erinnern können. Erleben und geniessen - wie am Fliessband. Arbeiten und leisten - bis zum Umfallen.  

Ich bin ein gebürtiger Erdling (wie wir alle), und ich bin einer von den Menschen, vor denen euch eure Eltern früher bestimmt immer gewarnt haben. Der schwarze Mann bin ich, das ultimativ Böse, weil ich anders bin, anders denke und anders lebe, als die meisten meiner Mitmenschen. Meine ungewöhnlich sinnlichen Begabungen haben mich mehrfach erleben lassen, was viele andere Menschen wohl kaum mehr erleben konnten und mich zu dem gemacht, was ich heute bin. In meinem kuriosen Leben voller paranormaler Phänomene und scheinbaren Unwirklichkeiten durfte ich bereits den seltsamsten Menschen und Wesenheiten begegnen.

Doch seit einigen Jahren beklage ich eine Modeerscheinung, nach der viele junge, aber auch einige alte Menschen von sich behaupten, sie wären eine Hexe. Ohauaha...!
Wie Pilze nach dem Regen, so sprossen und spriessen diese neuen Hexen aus dem Boden meines Lebens, um mir gehörig auf die Nerven zu gehen. Die Konsumgesellschaft produzierte einen regelrechten Hexenboom, der durch desaströse Kinofilme und reisserische Fernsehserien immer wieder neue Nahrung erhielt. So entstanden viele verschiedene Bilder, Eindrücke und Sichtweisen zu dem Leben einer Hexe in unserer heutigen Zeit. Diese daraus entwickelten Pseudolehren sind oftmals wirklich hübsch, interessant, aber manchmal auch einfach nur grotesk und lächerlich.

Eigentlich bin ich in meinem Leben nur einer einzigen Frau begegnet, die für mich wirklich das Bild einer wahren Hexe verkörperte.

Gut erinnere ich immer an jene Zeit vor dieser Konsumwelle an eine Zeit, in der ich diese faszinierende, alte Frau kennenlernen durfte, die damals schon von sich prä-modisch behauptete, eine Hexe zu sein. Diese Frau mit dem eigenwilligen Namen »Mutterhoff Dunkeltrotz« war nicht nur eine beeindruckende Persönlichkeit, sondern sie war auf ihre ganz eigene Weise magisch und auf eine geheimnisvolle Art sehr machtvoll und beeinflussend.

Wir haben uns vor vielen Jahren bei einem Urlaub kennengelernt, bei dem ich bequem in einem Hotel wohnte und sie in ihrer alten Hütte im Harz lebte. Dort war ihr Wohnsitz. Sie hätte auch im Schwarzwald leben können, aber sie lebte nun einmal im Harz, was wohl wirklich nur ein Zufall war. Nur um Spekulationen vorzubeugen. Doch wer weiss das schon genau? Immerhin war der für seine Hexengeschichten bekannte Brocken (legendärer Berg im Harz) nicht fern.

Jeden Tag besuchte ich die gute, alte Mutterhoff, was immerhin einen recht langen Marsch in den Wald für mich bedeutete. Das war eine Mühe, die sich jedoch absolut lohnte, weil sie mir dort über mich, so vieles erzählen konnte, was mir zuvor selbst nicht bewusst war. Sie half mir damals die weisen Pfade des Narren besser zu verstehen und war dabei so überzeugend und ungewöhnlich, dass ich mir selbst heute noch immer nicht ganz sicher bin, ob sie wirklich nur rein menschlich gewesen war.

Auf jeden Fall war sie eine ungewöhnliche und weise Lehrmeisterin in betagtem Alter, die mir viele interessante Geschichten erzählte und ein sehr eigenwilliges Bild von der Welt und dem Leben hatte. Sie war sehr arm und gab an, sich niemals im Leben selbst etwas gekauft zu haben, bis auf die Sammelscheine für das Holz im Wald. Damals war sie sehr traurig darüber, dass man alte und wirre Frauen dazu zwang, Geld für kleine Äste zu bezahlen, die vom Wind herab gerissen worden waren. In ihren Augen waren diese Äste ein Geschenk der universellen Mutter.

So sah sie das damals, und sie sprach immer davon, dass sie doch nur eine alte Hexe sei, bei der die Menschen wohl üppige Feste feiern würden, täte sie doch endlich sterben. Sie war damals bestimmt weit über siebzig Jahre alt gewesen. Offenbar hatte sie auch keine Familie mehr, lebte aber dennoch ganz alleine und selbstversorgend tief in den Wäldern in ihrer alten Hütte und bewies mir dabei mehrfach ihren messerscharfen Verstand. Fast wie bei Grimms Märchen, so bediente sie damit ein Klischee. Doch sie war, was sie war und lebte nun einmal so.  

Lange habe ich überlegt, ob ich es wagen sollte, über diese beeindruckende Frau ein kleines Buch zu schreiben, da diese Gesellschaft schon immer nicht sonderlich viel für Hexen übrig hatte und alles nur für reinsten Aberglauben hielt. Doch es hat sich inzwischen vieles in unserer Welt verändert, vieles leider auch zum Negativen, aber auch einiges zum Positiven. Die Menschen haben begonnen, nach neuen und besseren Wegen zu suchen. Viele Wege erscheinen irrsinnig und gefährlich, und ebenso viele dieser neuen Wege, sie sind es auch. Eine gehörige Portion Mut ist gefragt, ihnen aufrichtig zu folgen.

Diese alte Frau aus dem Harz ist schon einige Jahre nicht mehr unter den Lebenden, und die Hütte dient nun nur noch den Waldarbeitern als Unterstand bei schlechtem Wetter. Aber ich denke mir, es wäre sinnvoll zu versuchen, ihr eigenes Bild einer Hexe mit diesem Buch auch einmal darzustellen und damit festzuhalten. Immerhin ist es das Bild einer alten Frau, die kein Kino und kein Fernsehen konsumierte und ihr Hexendasein tatsächlich überzeugt lebte. Zwar hatte sie ein uraltes Radio in ihrer Hütte, aber das war kaputt. Sie hatte kein Strom, und die einzige, sehr rostige Batterie in ihrer Hütte, sie war wohl schon viele Jahre leer.

In meinen Augen kam diese Frau dem Bild einer richtigen Hexe sehr nahe, das wir Städter so in uns tragen, wenn sie nicht sogar eine richtige Hexe war. Sicher haben viele Menschen ihrer Harzer Umgebung sie für verrückt und wohl auch für schizophren gehalten. Aber so ist das heute doch oft bei Menschen, die vielleicht doch nur ein wenig anders sind, als die breite Masse. Jedenfalls bin ich nie wieder einem solchen Wesen begegnet, das sich so sicher und weise zwischen den Welten des Offensichtlichen und des rein Erfahrbaren bewegte, wie diese alte Hexe Mutterhoff Dunkeltrotz, die ich damals immer Oma Dunkel nennen durfte. Dabei habe ich schon so viele seltsame Esoteriker, Hexen und andere Freigeister kennenlernen dürfen, die von sich selbst eine Menge behaupteten, aber fast immer nicht sehr viel davon auch wirklich halten konnten.

So habe ich im Folgenden versucht, ihre Art zu leben und ihre Art zu denken, so gut ich es noch rekonstruieren konnte, in diesem Buch darzustellen. Sicher kenne ich nur Ausschnitte aus ihrem Leben, ihrer eigensinnigen Art und nur wenige ihrer Erfahrungen. Aber ich habe mich bemüht wiederzugeben, wie sie als ernannte Hexe lebte, was für sie wichtig war und wie sie über unser heutiges Leben dachte. So fand ich es aber ebenso wichtig, ihre eigenwillige Zeitrechnung, als auch ihren eigenwilligen Kalender anzudeuten, sowie auch ihre ungewöhnliche Handhabung von Namen darzustellen.

Letztlich muß jeder selbst für sich entscheiden, ob sie nun eine echte Hexe, ob Oma Dunkel vielleicht nur ein wenig verrückt war. Ich jedenfalls, ich habe meine Entscheidung bereits damals getroffen und werde diese alte Dame sicherlich niemals wieder vergessen. Ich werde in den nächsten Tagen und Wochen ihre Geschichte hier zum Lesen und Downloaden veröffentlichen...

Autor: © Alexander Rossa 2019

Inhaltsverzeichnis zum gratis Hexen Ebook: Dunkeltrotz

  • Über Mutterhoff Dunkeltrotz

    Dieses kostenlose Hexen EBook beschreibt als Literatur Ausschnitte aus dem Leben einer Frau, die sich unter anderem Mutterhoff Dunkeltrotz nannte. Die Menschen aus ihrem Umfeld erzählten sich, dass sie wohl eine echte Hexe gewesen war. Um so unwirklicher erscheint es, dass es tatsächlich diese alte...

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  • Oma Dunkels Buch (1)

    Wir leben in wirklich seltsamen Zeiten. Während in weiten Teilen der Welt sich die Menschen voller Blutrunst zerfetzen oder in ihrem Elend verhungern, regt man sich hier bei uns, über glücklich lachende Kinder auf dem Spielplatz auf, oder man bekommt vor lauter Ärger einen Herzanfall, nur weil ein...

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  • Mutterhoff Dunkeltrotz (2)

    Erster Sonnentag im Lebendwerd 1997...Es ist ein wunderbarer Morgen. Die Vögel zwitschern laut und stecken voller blühendem Leben. Die ersten wärmenden Sonnenstrahlen dringen durch die frischen, grünen Blätterkronen der Bäume. Morgens ist es noch ziemlich frisch in dem Wald vor der Stadt, und...

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  • Birke Rindensaft (3)

    Erste Talbrise im Graumantel 1986...Die Tage verstreichen.Wochen und Monate vergehen.Ganze Jahre rauschen an Menschen vorbei.Doch nur die wenigsten von ihnen bemerken etwas ganz Entscheidendes:Sie haben die Möglichkeit, etwas auf ihrer Welt zu verändern, etwas Grosses zu tun und etwas zu...

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  • Ydiotis Kinderträne (4)

    Zweiter Rotmond im Blattfall 1987...»Wo Du bist, dorthin kann ich Dir nicht folgen. Selbst wenn ich es versuchte, so bin ich nicht in der Lage zu denken, was Du denkst, zu fühlen, was Du fühlst, und ich kann einfach nicht begreifen, was Du begreifst.« »Aber dennoch liebe ich Dich und danke Dir...

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  • Krautfrei Glattstein (5)

    Zweiter Trockenbach im Schillermonat 1990 Als ich noch ein Kind war, da erzählte mir meine Mutter einmal diese kleine Geschichte von einem kleinen Feuer. Ja, dem prinzipiell leblosen Feuer, sofern man davon ausgeht, dass Feuer stets nur ein totes und heisses Element dieser Welt ist. Auch wenn ich...

    Weiterlesen: Krautfrei...

  • Vagabunda Nimmerruh (6)

    Zweiter Trockenbach im Schillermonat 1991Überall bin ich und sehe ich mich selbst.Einmal fühle ich mich kalt an, einmal bin ich warm.Eine schlichtes Behältnis bin ich, ein Gefäss für Gefühle, Hass und Liebe. Ich bin die Helligkeit und die Dunkelheit. Obwohl ich überall schon da bin, werde ich...

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  • Lebenda Tränengras (7)

    Dritter Sonnentag im Lebendwerd 1993Wolkenverhangen sind sie, die Berge, weit entfernt, am Horizont.Gleich gewaltiger Riesen und in weisse Watte gehüllt, so liegen sie dort.Als würden sie schlummern, träumen von einer vergangenen Zeit.Auch ich bin in meine Träume versunken, die Gedanken sind...

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  • Ursula Freibank (8)

    Zweiter Sammeltag der Apfelzeit 1995Die Sonne verschwindet langsam hinter in den Bäumen und taucht den ganzen Wald in ein unwirkliches Licht.Ein ruhiger und eher besinnlicher Tag neigt sich seinem Ende. Ich bin müde. Gerade will ich mich ein wenig vor das Haus setzen, um die Ruhe und die...

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  • Angelos Wahrheitslieb (9)

    Vierter Nebeltag im Graumantel 1996Überall Finsternis, Dunkelheit und unendliche Schwärze.Lichtlosigkeit ist voller Geheimnisse und wilder Dämonen. Unsichtbare Augen überall, beobachten mich, Fratzen gaffen.Besorgt wende ich mich um, überall Schwärze, keine Hoffnung.Ich habe Angst, fürchte...

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  • Nachwort zum Buch (10)

    Ich lebe schon seit Ewigkeiten mit einem nicht religiösen Weltbild und bin eigentlich sehr zufrieden damit. So habe ich viele wirkliche Wunder erleben dürfen, Wunder, die anderen Menschen oftmals völlig und auf ewig verborgen bleiben. Den religiösen Institutionen meines Landes habe ich mit...

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