Fantasy Phantastik Ebooks Yberseh

Yberseh: Fiktionen, Fantasy und flotte Fibeln

Erfahre im 2. Kapitel vom Fantasy Ebook »Das Xyralum« mehr über die finstere und gefahrvolle Welt Karakums irgendwo im Multiversum. Die Flucht vor schrecklichen Unwettern und gefährlichen Kreaturen treibt die Menschen in Schutzräume und macht sie empfänglich für unlautere Angebote. So muss es auch der junge Barados schmerzlichst erfahren, der alle Hände voll damit zutun hat, seine Familie im Erdäum Karakum zu schützen.

Inhaltsverzeichnis:

Die Geschichte Karakums
Leben im Schutzraum
Ein schrecklicher Verlust
Unmoralisches Angebot in der Notlage
Im festen Griff der Schatten
Rettung im letzten Augenblick 


Die Sonne drang nur spärlich durch die Wolken und tauchte die Stadt in ein unwirkliches Licht.
Es war schwül.
Nebel hing zwischen den Häusern.
Die Luft war aufgeladen.
In der Ferne hörte man immer wieder lautes Krachen.
Blitze überzogen ständig den Horizont und tauchten die entfernten Vororte der Stadt für Augenblicke in ein gleißendes Licht.

Auf der Treppe am geöffneten Fenster, da stand ein junger Mann. Er beobachtete die dunklen Wolken, wie sie schnell über die Häuser hinwegzogen.

»Barados, wir müssen in die sichere Unterkunft wechseln.«, hörte man die besorgte Stimme eines offenbar älteren Mannes.

Barados dreht sich um.
Sofort reagierte der junge Mann, schloss das Fenster und stieg die alte Treppe hinab.
»Ja, Vater, du hast recht. Nehmt ihr unsere Notbündel. Ich trage den kleinen Lotis.«
Er trug den alten Namen Barados. »Memba und ich, wir nehmen das Wohnpack und das Essenpack. Du Karam, du nimmst unsere Schlafsachen. Es sieht dieses Mal ziemlich schlimm aus.«

»Ich habe keine Lust mehr auf dieses ewige Hin und Her. Das ist doch kein Leben, Mama.«, maulte Memba.
Sie war die jüngere Schwester von Barados.
Sein Vater Karam, er stand bereits voll gepackt mit den Schlafsachen der Familie im Flur und schüttelte nur seinen Kopf.

»Die Entladungen werden immer stärker. Wir müssen uns wirklich beeilen.«, meinte er.

Utis war Barados Mutter.
Sie hielt den kleinen Lotis im Arm, der in einige weiche Decken und Kissen eingehüllt worden war.

»Barados, nimm du unseren Lotis und beschütze ihn gut. Er ist dein Bruder. Denke bitte immer daran.«, sagte sie mit der besorgten Stimme.
Dann blitzte grelles Licht in die dunkle Wohnung.
Als es wieder dunkel war, folgte ein ohrenbetäubender Knall.
Der kleine Lotis begann auf der Stelle zu schreien.
Barados eilte zu seiner Mutter und nahm ihr rasch Lotis ab, damit diese sich das Wohnpack nehmen konnte.
So war es ausgemacht.
Seine Schwester Memba trug bereits einen riesigen Rucksack, in dem das Essen und die Getränke für 2 Tage verstaut waren.

»Wir haben immer weniger Zeit, um in die sichere Unterkunft zu wechseln. Die Unwetter kommen jedes Mal schneller und unerwarteter. Bald werden wir wohl nur noch in der hässlichen Unterkunft bleiben können.«, fluchte Karam im Flur und machte sich auf den Weg, die schmale Treppe hinunter zu steigen.

Memba folgte ihm mit Barados.
Mutter Utis, sie verließ als Letzte die Wohnung und schlug die Tür hinter sich zu.

Barados Familie wohnte ganz alleine in dem Haus.
Es war ein Haus, in dem einst vier glückliche Familien gewohnt hatten. Doch bereits vor Jahren hatten die drei anderen Familien das Haus verlassen. Sie wollten in eine Umgebung wechseln, die für sie sicherer war.

Die Unwetter waren in dem Erdäum Karakum in den letzten Jahren stets kräftiger und deutlich gefährlicher geworden. Sie brachten nur selten viel Regen mit sich. Doch diese vielen, trockenen Gewitter mit ihren heftigen Blitzen, sie waren ein Fluch und bereiteten den Menschen Angst. Viele von ihnen wurden tatsächlich von Blitzen getroffen. Die Luft wurde manchmal so stark aufgeladen, das den Menschen die Haare zu Berge standen. Gab es dann schließlich doch eines der nassen Unwetter, fielen diese zumeist so massiv aus, dass sie fast immer große Flut- und Sturmschäden anrichteten.

Mit den Jahren gaben daher viele Menschen einfach auf, andere hatten ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Viele beklagten Opfer in ihren Familien.
Die Menschen in Karakum bauten Schutzräume, um sich vor der Bedrohung zu schützen. Doch der Aufwand war enorm.
Die Regierung in Karakum, sie hätte viel früher reagieren sollen. Als die Umwelt noch in Ordnung war, hätte sie vieles ändern müssen. Doch man hatte die unangenehmen Probleme immer weiter aufgeschoben. Fast schon konnte man meinen, die Herrschaften wären alle blind und taub gewesen, als die Wissenschaftler sie vor den Folgen ihrer Politik gewarnt hatten.
Es war wirklich seltsam gewesen.
Sie hatten einfach nicht reagiert.
Nun jedoch, nun war es zu spät.
Das Klima in Karakum war stark angeschlagen. Die Natur schlug eben zurück.
Das Wetter spielte verrückt und es schien fast, als würde es täglich schlimmer werden.
Die Wirtschaft brach schließlich massiv ein. Die Menschen verloren ihre Arbeit. Eine Gesellschaft verarmte langsam. Neid und Missgunst breiteten sich überall aus. Sie forderten weitere Opfer in blutigen Auseinandersetzungen und Kriegen.

Heute waren die Städte in Karakum fast menschenleer.
Das Leben im Erdäum war eigentlich kein echtes Leben mehr.
Man kämpfte nur noch um seine Existenz.
Entweder das Wetter bedrohte die Menschen, oder sie bedrohten sich gegenseitig.
Es sei denn, sie mussten wieder einmal einen der Schutzräume aufsuchen. War das der Fall, dann hatten sie eigentlich nur noch Angst.
Niemand von ihnen ahnte, dass es nicht ihre Schuld war, in diese missliche Situation geraten zu sein. Karakum war eben eine der Erdäen, die nicht vom Waagumal bevorteilt wurden. Über das Xyralum und das Waagumal wusste man auf Karakum nichts. Die Gesellschaften in dieser Welt, sie waren einfach noch nicht bereit dafür.

Karam erreichte zuerst die schwere Tür unten im Haus.
Er blickte vorsichtig hinaus.
Das Unwetter war schon gefährlich nahe.
Viele Straßen wurden immer wieder von grellen Blitzen erleuchtet.
Denen folgte dann ein lautes Krachen.
Die Luft schien regelrecht elektrisiert zu sein.
Ein schwacher, lauer Wind fegte über die menschenleere Straße.
Einige Meter vom Hauseingang entfernt, da huschte plötzlich eine Frau über die Straße. Kaum war sie auf der anderen Seite angekommen, gab es einen ohrenbetäubenden Knall. Die Frau schrie vor Angst kurz auf und versteckte sich in dem Hauseingang, direkt gegenüber von Karam.

»Verflucht, es ist schon verdammt gefährlich dort draußen.«, rief der Vater von Barados in den Flur hinter sich.
Dort wartete der Rest der Familie darauf, endlich zum Schutzraum fliehen zu können.
Dann war ein tiefes Grollen zur hören und ließ die Scheibe in der Tür beben.
Barados nahm an, dass sich offenbar ein besonders heftiger Gewittersturm näherte.

»Vater, wir müssen rasch aufbrechen. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren.«, rief er Karam nervös zu, der noch immer vor ihm in der Tür stand.
Lotis begann wieder zu weinen.
Armer Kerl, er war eben nur ein kleiner Junge, und er hatte Angst.
Barados schaukelte ihn ein wenig in seinem Arm, um ihn etwas zu beruhigen.
Doch der Säugling spürte instinktiv die Gefahr und die Unruhe in der Familie.

Plötzlich lief Karam los, rannte quer über die Straße zu dem Eingang, bei dem die Frau kurz zuvor noch Schutz gesucht hatte.
Barados und die beiden Frauen, sie folgten ihm sogleich.
Alle wussten nur zu gut, dass es kein Zögern geben durfte, wollten sie alle das Unwetter unbeschadet überleben.
Wieder leuchtete die ganze Straße grell auf.
Ein lauten Krachen folgte.

Als alle unverletzt auf der anderen Straßenseite angekommen waren, rannte Karam gleich erneut los und lief eilig die Häuserreihe entlang.

Der Schutzraum war zwar nur gut 500 Meter weit entfernt, aber bei so einem Unwetter schien diese Entfernung gewaltig zu sein.
Barados und seine Familie folgten Karam.
Nach einigen Metern schlug ein Blitz direkt in eines der Häuser an der Straße ein.
Funken flogen wild durch die Luft, und das Krachen war so laut, dass die gesamte Familie zu Boden geworfen wurde.
Barados legte sich schützend über seinen kleinen Bruder.
Die Frauen schrien entsetzt. Die Luft roch verbrannt.

»Los, auf! Wir müssen weiter. Schnell!«, schrie Karam seine Familie inzwischen an.

Barados konnte die Angst und den Stress deutlich in seinen Augen erkennen.

Dann krachte es erneut.
Die Familie wurde fast erneut umgeworfen.
Lotis schrie und war nicht mehr zu beruhigen.
Barados konnte sich nicht mehr um den Säugling kümmern.
Er musste sich verdammt anstrengen, seinem Vater dicht zu folgen und dabei die Frauen nicht zu verlieren.
Memba fluchte laut vor sich hin. Sie war jung und belastbar.
Doch Utis, sie schien völlig fertig zu sein. Man konnte deutlich ihr Keuchen hören.
Immerhin wog das riesiges Wohnpack, welches sie auf dem Rücken trug, mindestens 40 Kilogramm. Für eine ältere und eher kleine Frau war das eine enorme Belastung.
Barados hatte ihr schon oft angeboten, diesen Wohnpack für sie zu nehmen.
Doch Utis wollte das nicht. Ihr war es wichtig, das der kleine Lotis sicher war.

Der Wind nahm plötzlich zu.
Sie musste aufpassen, nicht immer wieder von der Hausfront weg, auf die Straße gedrückt zu werden. Die freie Straße war einfach viel zu gefährlich.
Schon alleine wegen der vielen Blitze war es fast Selbstmord, sie zu benutzen.
Diese schlugen inzwischen überall um sie herum ein.
Das Krachen war jetzt so quälend geworden, dass man sein eigenes Keuchen nicht mehr hören konnte. Barados sah schnell nach Lotis, der seinen Mund weit aufgerissen hatte und offenbar um sein Leben schrie. Doch man konnte ihn bei dem ohrenbetäubenden Lärm fast nicht mehr hören.

Dieses Unwetter, es war die Hölle.
Dennoch kämpfte sich Karam unbeirrt weiter ihrem Ziel entgegen.
Seine Augen brannten, und die schweren Schlafsachen, sie zerrten an seinem Körper.
Nur noch wenige Meter waren es noch bis zum Schutzraum.
Dessen Tür konnte er bereits hinter all dem aufgewirbelten Staub erkennen.

Kurz bevor sie dort angekommen waren, krachte ein Blitz direkt in eines der Häuser, unter dem sie gerade entlangliefen. Wieder flogen reichlich Funken umher, und ein tiefes Knarren war zu hören.
Augenblicklich drehten sich Karam und Barados um.
Barados sprang auf seine Mutter zu und warf sich auf sie, während Karam Memba fest am Arm griff. Er zog sie mit einer unglaublichen Kraft zu sich.

Mit einem lauten Poltern stürzte ein Teil des Daches auf Barados herab, der schützend über seiner Mutter und Lotis lag. Das Gewicht der Holzbalken schnürte ihm seinen Atem ab.
Er spürte, wie sein Körper, durch die Wucht der herabstürzenden Teile, herum geworfen wurde.
Utis schrie vor lauter Angst.
Sie brüllte, war aber bei dem Lärm kaum zu hören.
Doch obwohl es unglaublich laut war und der Wind inzwischen ohrenbetäubend heulte, konnte Karam deutlich ihre Panik spüren.
Er ließ Memba stehen, die mit weit aufgerissenen Augen das Unglück mit ansehen musste und rannte zu seiner Frau.

Sie lag unter einem Haufen Schutt, während Barados, durch die Wucht der Balken, mitten auf die gefährliche Straße geschoben worden war.
Karam grub seine Frau mit bloßen Händen aus dem Schutthaufen aus, als wäre er wahnsinnig geworden. Er zog sie dann kraftvoll an ihren Armen heraus.

Inzwischen schlugen wieder neue Blitze ein.
Sie brachten Barados mit dem kleinen Lotis in üble Bedrängnis.
Unter großen Schmerzen und mit allerletzter Kraft kroch Barados langsam von der Straße weg. Er hatte kaum mehr die Energie, den kleinen Lotis zu halten.
Ihm liefen Tränen durch das Gesicht.
Seine aufgerissenen Finger schmerzten, als würde er sie in glühende Kohlen halten.
Sein kleiner Bruder, er schrie in seiner Verzweiflung. Immer wieder leuchtete die Straße grell, vom Schein der gefährlich nahen Blitze, auf.
Barados schien ohnmächtig zu werden.
Er ließ bereits seinen Kopf kraftlos sinken, als er plötzlich spürte, wie jemand seine Hände ergriff und ihn dicht an das Haus heran zerrte.

Es war Memba gewesen, die mit ihrer ganzen Kraft und zusammengebissenen Zähnen ihre beiden Brüder aus der Gefahrenzone der Blitze zog.
Mit einer unglaublichen Willenskraft hatte sie ihre lähmende Furcht überwunden, um das Leben ihrer Brüder zu retten.
Beim Haus angekommen sahen sie, wie Karam zum Schutzraum humpelte.
Er trug die leblos wirkende Utis auf seinen Armen.
Dort hatte man die Familie bereits bemerkt und schnell die Tür geöffnet.
Zwei Männer liefen herbei und halfen Memba und Barados, der den armen Lotis nicht aus seiner Obhut geben wollte.
Utis war ohnmächtig.
Wenig später war die gesamte Familie im Schutzraum angekommen.
Die Tür schloss sich polternd hinter ihnen.
Sie hatten es wieder einmal geschafft und waren in Sicherheit.

Nachdem die Tür geschlossen war, ließen sich alle kraftlos zu Boden fallen.
Sie waren völlig matt, verschwitzt und außer Atem.
Utis war inzwischen wieder bei Bewusstsein und schaute sie benommen nach ihrer Familie um.

Barados versuchte Lotis das kleine Gesicht mit einer weichen Decke zu reinigen.
So wie es aussah, hatte der kleine Junge nur ein paar harmlose Schrammen abbekommen. Doch diese nahm Lotis der Welt ziemlich übel und weinte herzzerreißend.
Erst als Utis ihr Kind zu sich nahm und es liebevoll tröstete, beruhigte sich Lotis allmählich.

Utis war fast unversehrt geblieben.
Sie war etwas benommen.
Ihr rechtes Knie war zudem aufgeschlagen und blutete etwas.
Barados Rücken und sein Brustkorb schmerzten sehr.
Karam und er vermuteten beide, dass er sich eine oder vielleicht sogar zwei Rippen geprellt hatte. Rippenprellungen schmerzen manchmal viel mehr, als echte Rippenbrüche.

Nach einer Weile Rast auf dem Boden des Schutzraumes, der den dürftigen Charme eines alten Betonbunker hatte, sah sich die Familie nach bekannten Gesichtern um.
Man hörte den Sturm und das Krachen des Unwetters sogar noch durch die schwere Bunkertür. Diese Unwetter in Karakum, sie waren zu ganz üblen Ungeheuern erwachsen und richteten immer mehr Schäden an.

Karam war um die Zukunft seiner Familie besorgt.
Wohin sollten sie gehen, wenn Häufigkeit und Stärke der Unwetter weiter zunahmen?
Er konnte es nicht zulassen, dass sie alle hier sterben würden.

Ganz im Gegensatz zu Karam, war Utis bereits schon wieder aktiv und eifrig damit beschäftigt, geordnete Zustände zu schaffen. Zusammen mit Memba suchte sie im Schutzraum den Platz auf, der für sie reserviert worden war.

Es waren nur wenigen Menschen im Schutzraum versammelt. In den letzten Jahren waren es immer weniger geworden.
Die Luft war schlecht und stickig.
Das Licht war schummrig und schwach.
Doch alles reichte aus, das Unwetter abzuwarten.
Die Unwetter Karakums, sie hielten nur selten länger als einen Tag an. Doch die schweren Packs, die sie mit sich schleppten, sie waren notwendig und wichtig für die Familie. Man konnte einfach nie wissen, wie die Welt aussehen würde, verließ man den Bunker nach einem solchen Unwetter wieder.
Barados hatte es schon mehrfach erlebt, dass Familien vor den Trümmern ihrer Existenz standen, weil das Unwetter ihre Häuser buchstäblich zerfetzt oder ausgebrannt hatte. Seine ehemals schöne und lebendige Welt, sie hatte sich in den letzten Jahren wirklich in eine sehr üble Richtung entwickelt. Oft haben Barados und sein Vater darüber nachgedacht, ebenfalls diese Gegend zu verlassen. Doch mit der Zeit kamen die Meldungen von Unwettern, Dürren und Steppenbränden von überall Karakums. Offenbar stand seine Welt vor dem Abgrund.

Die Stunden vergingen.
Man hörte durch die Mauern und die Tür des Schutzraumes das Toben des Unwetters in der Stadt. Aber die Menschen, sie waren durch die letzten Jahre schon einiges an Naturgewalten gewöhnt.
Es gab hier im Schutzraum sicheren Strom, so dass man ein wenig Essen und Tee erwärmen konnte. Einige Menschen schliefen, andere führten angeregte Unterhaltungen. Utis Knie blutete nicht mehr.
Lotis schlief seelenruhig in seine Decken gehüllt.
Memba hatte einen netten Jungen kennen gelernt, mit dem sie sich angeregt unterhielt. Karam lag auf einer dieser alten Pritschen und starrte die kahle Wand an.

»Das war knapp heute.«, meinte Barados leise zu ihm.

Karam brummte nur bestätigend.

»Wir müssen uns etwas einfallen lassen, Vater. Es ist hier nicht mehr sicher für uns.«

»Wo ist es heute schon noch sicher, mein Sohn?«, fragte ihn sein Vater ruhig, ohne seinen Blick von der Decke des Raumes abzuwenden.

»Im Norden soll es ruhiger sein.«

»Ja, sicher, doch gibt es dort kaum Wasser. Die Menschen verdursten. Die Feldern des Nordens sind mit toten Kindern übersät.«

»Aber wir müssen etwas tun. Schon alleine wegen Lotis. Heute wäre es fast schief gegangen.«

Karam setzte sich auf und sah seinen Sohn ernst an.

»Was soll ich denn tun, Barados! Unsere Welt ist dem Tode geweiht. Wir alle zusammen, wir werden mit ihr irgendwann in den Untergang stürzen!«, brüllte ihn Karam an.

»Junge, ich weiß nicht, was wir tun sollen. Verdammt, ich weiß es einfach nicht!«

Karam blickte seinen Sohn mit weit aufgerissenen Augen an.
Als Barados schließlich verlegen seinen Blick senkte, legte sich Karam wieder auf die Pritsche und starrte erneut die Wand des Schutzraumes an.
Er keuchte nach Luft. Tränen glänzten in seinen Augen.

Es war plötzlich totenstill im Schutzraum.
Alle Gespräche waren verstummt.
Traurig schauten einige der Menschen auf den Boden.
Andere legten sich hin und schlossen ihre Augen.

Karam hatte nur laut ausgesprochen, was alle im Raum dachten. Er hatte mit seinen Worten klar das umrissen, vor dem sich alle fürchteten. Nur ein echtes Wunder konnte ihre sterbende Welt noch retten.

Nach einigen Stunden beruhigte sich das Unwetter allmählich und die Menschen im Schutzraum bereiteten erleichtert ihren Heimweg vor. Als sich dann die schwere Schutztür endlich öffnete, konnte man über den Dächern bereits die untergehende Sonne erkennen. Nur noch wenige kräftige Wolken zogen dem Unwetter hastig nach.

Als die ersten Menschen den Schutzraum verließen, bot sich ihnen ein entsetzlicher Anblick. Die Straßen war nass und voller Unrat.
In der Ferne stiegen Rauchsäulen auf.
Irgendwo weinte ein Kind.
Einige Fenster waren in den Häusern zerbrochen.
Scherben lagen überall herum.
Ein alter Mann humpelte mit gesenktem Blick an dem Schutzraum vorbei. Er war völlig durchnässt.

Karam und Barados verließen gemeinsam den Raum, gefolgt von Memba und Utis, die jetzt den kleinen Lotis trug. Barados hatte seiner Mutter die schwerste Last abgenommen, was ihn viel Überzeugungskraft gekostet hatte.
Doch Utis war verletzt und konnte einfach das schwere Wohnpack nicht mehr tragen.
Müde blinzelte sich die Familie im Licht der Abendsonne gegenseitig an.

Doch kaum waren sie einige Schritte von dem Schutzraum entfernt, ließ ein lautes Krachen die Menschen erschreckt in Deckung gehen.
Verstört sahen sich der alte Karam und Barados um.
Dann vernahm man einen lauten Schrei des Entsetzens.

Utis lag mit ihrem Kind auf der Straße.
Aus ihrer Kleidung stieg Rauch auf.
Ein letzter verirrter Blitz hatte sie mitten in den Rücken getroffen.
Sein Strom hatte in einem einzigen Augenblick seine ganze zerstörende und brutale Macht offenbart. Utis und ihr kleiner Sohn waren von dem Blitz regelrecht vernichtet worden.

Barados und Karam rannten zu den leblosen Körpern auf der Straße.
Einer der Arme von Utis, er zuckte noch. Karam ging zu Boden.
Er nahm seine Frau und sein Kind ganz nahe zu sich.
Er versuchte zu begreifen, was geschehen war.
Tränen liefen durch sein Gesicht.
Seine Verzweiflung ließ nur noch sinnlose Wortfetzen durch seine Lippen dringen.
Eben noch lachte Utis. Der kleine Lotis brabbelte noch vor Augenblicken zufrieden vor sich hin. Jetzt waren beide tot.
Sie waren aus dem Leben gerissen worden.
Barados und Memba standen regungslos neben ihrem Vater.
Ihre Gesichter schienen versteinert und bleich.

Erst nach einigen endlos erscheinenden Augenblicken der Fassungslosigkeit, brach schließlich auch Memba weinend in sich zusammen.
Barados hielt seine Schwester in seinen Armen.
Doch auch er selbst erfuhr die schrecklichen Augenblicke, als würde er einen Rausch erleben.

Die Menschen liefen an ihnen vorbei.
Einige blickten sie kurz an.
In ihren Blicken war Traurigkeit zu erkennen.
Doch keiner von ihnen hatte genug Kraft, um der kleinen Familie etwas Halt und Trost zu spenden. Zu oft schon hatten sie Ähnliches erlebt, viele von ihnen sogar geliebte Menschen aus der eigenen Familie verloren.
Im Erdäum Karakum gehörte das Sterben auf der Straße inzwischen zum Alltag.

Die Sonne ging langsam unter und gab sich von dieser Tragödie unbeeindruckt.
Für Barados, seine Schwester und Karam jedoch, da verdunkelte sich an diesem Tag ein ganzer Teil ihres Lebens für alle Ewigkeit. Es war wirklich nicht wenig Licht, das ihnen brutal aus der Brust gerissen wurde. Mit blankem Entsetzen sahen sie in die hässliche Fratze des Todes. Es war das Begreifen der Endgültigkeit der Situation und die Erkenntnis der eigenen Endlichkeit, die das Feuer der Trauer nährte.

Irgendwann in der Nacht stand Karam auf und übergab den toten Lotis seinem Sohn Barados. Er selbst trug seine Frau zum alten Friedhof des Stadtteils. Memba folgte den beiden Männern. Ihre Packs hatten sie zuvor versteckt und ließen sie zurück.

Vater und Sohn hoben ein Grab aus. In einer der kleinen Hütten standen immer ein paar Schaufeln zu diesem Zweck bereit. Die Unwetter forderten fast immer Opfer. Sie mussten schnell beerdigt werden. Das hielt Krankheiten und Seuchen von den Menschen fern.

Die Erde war weich vom Regen des Unwetters. Sie kamen gut voran.

Einige Meter entfernt waren es zwei junge Frauen, die ebenfalls wortlos an einem Grab für ein Kind schufteten. Es war die harte Arbeit, die beide Männer wieder an das eigene Überleben denken ließ. Doch sie brachte Vater und Sohn auch wieder zurück in eine dem Tod geweihte Welt, die von Aussichtslosigkeit geprägt war.

Erst als die zarten Sonnenstrahlen am Horizont den nahenden Tag ankündigten, hatten sie ihre schreckliche Arbeit getan. Ihre Hände schmerzten. Die Haut an den Fingern brannte.

Karam bat seinen Sohn Barados, die schweren Packs der Familie zu holen. Sie konnten nicht zulassen, das Fremde sie fanden und stahlen. Die Packs durften nicht gestohlen werden. Utis hätte ihnen schreckliche Vorwürfe gemacht.

So brach Barados alleine auf, um die Packs zu holen. Er wusste gut, dass er wohl mehrfach diese Strecke zurücklegen musste, sollte er keine Hilfe oder einen Karren zum Transportieren finden.
Sein Vater konnte ihm nicht helfen. Er musste bei der völlig verstörten Memba bleiben. Zudem hatte er sich vorgenommen, den beiden Frauen seine Hilfe beim Kindergrab anzubieten. Es erschien ihm unmenschlich, die beide noch länger alleine an dem Grab des Kindes arbeiten zu lassen.

 

Als Barados an jener Stelle ankam, an der seine Mutter und sein kleiner Bruder vom Blitz erschlagen worden waren, flammte in ihm der Schmerz über ihren Verlust erneut auf. Er konnte einfach nicht achtlos an dieser Stelle vorbeigehen.
Also setzte er sich innerlich ausgebrannt und entkräftet auf eine der steinernen Stufen am Straßenrand. Er sah genau auf die Stelle, an der seine Mutter und sein Bruder sterben mussten. Ein dunkler Fleck machte es ihm leicht, den Ort aus dieser Entfernung zu erkennen. Immer wieder sah er das lebensfrohe Gesicht seiner Mutter vor sich. Er hörte noch immer das ausgelassene Lachen seines kleinen Bruders, als ob er noch am Leben wäre. Die Trauer um Mutter und Bruder, sie war wie eine eiserne Faust, die sein Herz fest umklammert hielt. Barados war unendlich müde. Langsam kehrte zudem der Schmerz seiner geprellten Rippe in sein Bewusstsein zurück.
Der Verlust seiner halben Familie, er hatte ihn seine Verletzungen fast völlig vergessen lassen.
Es war zum Verzweifeln.
Mutlos und vom Schicksal besiegt saß Barados auf seiner steinernen Stufe.
Der Morgen war noch jung und die Luft frisch.
Die frühe Morgensonne erhellt die menschenleere Straße.


»Barados, verzweifle nicht.«, hörte er plötzlich eine weibliche Stimme.
Barados hob seinen Kopf.
Er stellte mit Erstaunen fest, dass er nicht mehr auf der Treppe an der Straße saß.
Sitzend lehnte er an einem Baum, mitten in einem dichten Wald.
Die Blätter der Bäume vereinten sich im lauen Wind zu einem sanften Rauschen.
Das Gras unter seinen Füßen, es war grün und saftig.
In der Ferne hörte er einen Specht an einen Baumstamm klopfen.
Barados stand auf und lief zwei Schritte vor.
Er wollte weg von dem Baum an dem er gelehnt hatte und war ziemlich verwirrt.
Richtig aufgebracht sah er sich hektisch um.

»Ganz ruhig, junger Freund.«, hörte er diese weiche Stimme sagen und entdeckte schließlich auch, woher sie kam.

Eine ältere Frau, schön anzusehen und mit sanften Gesichtszügen von Mutter Natur beschenkt, kam zwischen den Bäumen langsam auf ihn zu. Sie lächelte und strahlte dabei eine sagenhafte Ruhe aus. Ihre Kleidung glich fast seidenen Tüchern in warmen Pastellfarben. Schuhe trug sie keine. Ihre Füße waren nackt.

»Wer bist du, und wie bin ich hierher gekommen?«, fragte Barados und war fast schon ein wenig wütend. Er war mit dieser neuen Umgebung und der Frau völlig überfordert. Immerhin hatte man ihn offensichtlich entführt.

»Fürchte dich nicht, Barados. Ich bin Ogun, und ich möchte frisches Glück in dein trauerndes Herz füllen.«

»Das muss Zauberei sein. Alles das hier, es ist nicht wirklich?«, mutmaßte Barados und war erregt.

»Was ist schon wirklich und was ist es nicht, mein junger Freund? An jenem Ort, an dem die wunderbare Pflanze des Glücks gedeihen kann, dort und nur dort wirst du die Wirklichkeit finden.«

»Die Wirklichkeit ist für mich jene, als dass meine Mutter und mein Bruder tot sind. Sie sind für immer fort. Die Welt in der ich lebe, sie ist dem Untergang geweiht. Sie ist es ebenso, wie es auch meine Zukunft ist. Das ist sie, meine Wirklichkeit, Ogun.«

»Du weißt nur wenig von dem, was tatsächlich ist, junger Barados. Wäre es nicht so, dann wüsstest du, wo du hier bist. Auch wüsstest du, was ich begehre.«

»Bist du ein göttliches Wesen? Vielleicht bist du eine der Angelos? Wenn dem so ist, dann bringe mir meine Mutter und meinen kleinen Bruder zurück. Bist du allerdings nicht dazu in der Lage, dann bringe zumindest mich rasch zurück und lass mich in Ruhe, alte Frau.«

»Es mag sein, dass ich dir, als göttlich erscheine. Wer kann das schon sagen? Doch ich weiß, dass ich eine der herrlichen Ambalosis bin. Deine Mutter und dein Bruder, sie sind verloren, und sie werden es bleiben. Doch ich habe die Macht, dir für immer den Schmerz zu nehmen. Dein Herz wird frei von Trauer sein. Nur musst du dich dazu entschließen, mir zu folgen.«

»Was weißt du schon von meinem Schmerz? Ich habe versagt. Hätte ich auf meine Mutter im Schutzraum gehört und meinen Bruder genommen, so würde er heute noch unter uns weilen. Meine Mutter, sie würde wohl auch noch leben. Von dieser Schuld, von ihr kannst du mich nicht befreien, alte Frau.«

Ogun lächelt ihn an.
»Du irrst dich. Ganz sicher irrst du dich. Geleitet von deinem Schmerz bist du. Die Schuld tragen jene von deiner Art, die eure Welt, sich selbst überlassen und dabei zusehen, wie sie ausblutet. Sie beuten alles gnadenlos aus, Kein Interesse haben sie für die Träume und Bedürfnisse der Menschen. Sie schaffen Probleme und lösen sie nicht. Zu ihren Füßen vertrocknet und stirbt einfach alles. Folge mir. Ich werde der Sinnlosigkeit für immer ein Ende bereiten. Die Ambalosis bringen das Licht in deine Welt. Sie versklaven die Schatten. Wir sind es, die euch die Lösungen für alle eure Probleme bringen und euch vom Schmerz befreien.«, bot Ogun ihm an.

»Wie selbstlos ihr doch seid. Ich staune. Fast schon bin ich davon überzeugt, dass die Ambalosis göttliche Wesen sind. Doch verzeihe mir. Ich bin nur ein ganz einfacher Bursche. So brauche ich eben schon einen Beweis für das, was du behauptest. Sehen, fühlen und erleben will ich ihn, diesen Beweis. Das ist alles nur ein böser Traum. Da bin ich mir sicher.«

»Du sollst einen Beweis bekommen, Barados. Doch nun kehre zurück zu deinem Vater und deiner Schwester. Harre der Dinge, die da kommen werden. Sie werden bald schon kommen, du wirst es sehen.«

Kaum hatte Ogun das gesagt, verblasste ihr Antlitz auf seltsame Weise.
Der üppige Wald, er wurde Barados fern.
Dann öffnete er seine Augen und fand sich auf der steinernen Treppe wieder.
Er lag auf ihr. Jeder seiner Knochen schmerzte.
Als er die Stelle des Unfalls auf der Straße entdeckte, erinnerte er sich an den Schmerz.
Er musste würgen und nach Luft ringen. Barados war benommen.
Er war eingeschlafen und hatte nur geträumt. Sicher hat er nur geträumt.
Nur war dieser Traum so unglaublich real gewesen.
Er war mehr eine Vision, als ein Traum.

Stöhnend erhob er sich.
Er musste endlich die Packs holen.
Das war sein Auftrag.
Seine Familie brauchte ihn nun mehr, als zuvor, und sie würden sicher schon auf ihn warten. Der Tag, der dem üblen Morgen folgte, er war die Hölle für Barados. Er fand keine Hilfe und natürlich auch keinen Karren.
Die Packs waren schwer.
Der Weg war weit.
Bis zum Mittag brauchte er, um alles wieder in die Wohnung zu bringen.
Völlig entkräftet ließ er sich dann zu Boden fallen und rang nach Luft.

Kurze Zeit später kamen auch seine Schwester und sein Vater in der Wohnung an.
Sein Vater, er wirkte um Jahre gealtert.
Er hatte schwarze, schmutzige Hände vom Friedhof und sah einfach schrecklich aus. Memba war leichenblass, ihre Haare lagen wirr auf ihrem Kopf herum.
Sie hatte rot geweinte Augen.
Barados konnte inzwischen wieder einen halbwegs klaren Gedanken fassen.
Die harte Arbeit hatte ihm gut getan.
Barados ahnte natürlich, dass sein Vater ihn genau aus diesem Grund die Packs hatte holen lassen.

Karam war ein harter, aber auch weiser Mann. Nicht ohne Grund hatte er mit einer so gute Frau an seiner Seite gelebt, wie es Barados Mutter Utis war. Doch nun war sein Vater plötzlich auf sich alleine gestellt. Barados war besorgt.

Den ganzen Nachmittag verbrachten sie damit, ein wenig Ordnung in ihr Leben und die spärlich eingerichtete Wohnung zu bekommen. Das Unwetter hatte zum Glück nur eine Fensterscheibe zerstört. Diese war schnell mit einem anderen Fenster aus einem der unbewohnten Stockwerke ausgetauscht worden.

Das Abendessen fiel ziemlich kläglich aus. Doch Hunger hatten sie alle ohnehin nur wenig. Viele Worte wurden nicht gesprochen. Barados war froh, als er sich in sein altes Bett legen konnte, um dort ein wenig für sich zu sein. Nach einer Weile war er eingeschlafen.

In der Nacht wurde er durch ein seltsames Geräusch auf der Straße geweckt.
Es klang wie ein Wispern, ein flüsterndes Klagen.
Barados wälzte sich reichlich unmotiviert aus seinem Bett.
Im Nebenzimmer konnte er Memba sehen.
Sie schlief tief und fest.

Möglichst leise huschte er zum Fenster.
Er wollte seine Schwester nicht wecken.
Als er hinunter auf die Straße sah, erkannte er zunächst nur, dass dort alles ruhig und menschenleer war. Der Mond war prall, fast ein richtiger Vollmond. Sein Licht schien direkt in sein Fenster. Es leuchtete die Straße vor dem Haus gut aus.

Gerade als Barados sich wieder auf den Weg in sein Bett machen wollte, hörte er dieses seltsame Flüstern erneut.

Wieder sah er neugierig aus dem Fenster und entdeckte eine Art Schatten, der von einem Hauseingang, zum nächsten huschte und dabei dieses seltsame Wispern von sich gab. Barados wusste nicht, was es war und was er dort eigentlich beobachtete. An Spuk und Gespenster wollte er nicht glauben. Offenbar versuchten Plünderer in die Häuser einzudringen, um alles das zu stehlen, was sich ihnen offen anbot.

Barados huschte zu seinem Bett, unter dem er sein altes Buschmesser abgelegt hatte. Memba und seine Mutter hatten es immer für zu gefährlich gehalten, so eine Waffe im Haus zu haben.
Utis meinte früher immer, dass jede Waffe auch irgendwann einmal zu ihrem bestimmten Einsatz gelangen würde. Das wäre zumeist immer mit großem Unglück verbunden.
Doch Barados liebte dieses scharfe Buschmesser. Es war ziemlich groß. Er schaute sich immer wieder gerne die glänzende Schneide aus Stahl an, wie sie kunstvoll geschliffen und sorgsam mit dem Griff verbunden war.
Doch nun wollte er sich sein Messer nicht nur ansehen.
Jetzt wollte er es mitnehmen, um sich vor den Plünderern zu schützen.

So leise es ihm möglich war, schlich er an dem Zimmer seiner Schwester vorbei. In der Küche saß sein Vater am Tisch. Er schlief. Offensichtlich hatte die Müdigkeit seine Trauer für heute erst einmal besiegt.

Als Barados schließlich unten ankam, scheute er sich zunächst davor, die Tür zur Straße zu öffnen. Doch er wollte sehen, ob er etwas gegen die Plünderer tun konnte.

Polizei gab es in den Straßen der Stadt kaum noch. Rief man sie, kamen die Ordnungshüter erst nach zwei oder drei Stunden, wenn sie denn überhaupt kamen. War die Polizei tatsächlich einmal da, zeigte sie sich zumeist schlecht gelaunt und man geriet rasch in Gefahr, wegen ungebührlichem Verhaltens empfindlich bestraft zu werden. Alles war eben sehr willkürlich. Es schien oft so, als kontrollierte in Karakum niemand mehr die Kontrolleure.

Als Barados die Tür einen Spalt weit öffnete, da erschrak er.

Inzwischen waren es drei dieser Schatten geworden, die von Haus, zu Haus huschten. Deutlich war nun dieses seltsame Flüstern zu hören.

Vorsichtig begab sich Barados auf die Straße und näherte sich einem dieser ungewöhnlichen Schattenphänomene.

»He, was machst du da?!«, rief er den Schatten mutig an. Dabei war er wohl ziemlich naiv.

Augenblicklich stand der Schatten in der Luft und bewegte sich nicht mehr.
Dieses Ding, es war merkwürdig.
Es sah wie ein schwarzer Fleck aus, der mitten in der Luft schwebte und durch den kein einziger Lichtstrahl zu dringen vermochte. Dieses erstaunliche Gebilde, es stand jetzt zwar fest vor ihm in der Luft, bewegte sich jedoch in sich selbst.
Es war fast ebenso unruhig, wie eine Amöbe.

»Du willst einen Beweis, Barados? Dann sollst du einen bekommen.«, hörte er plötzlich eine Frauenstimme sagen und erschrak sich.
Er drehte sich um und sah Ogun auf der anderen Straßenseite stehen.
Mehrere dieser unheimlichen Schatten kamen rasch auf ihn zu.
Woher sie so plötzlich gekommen waren, war nicht mehr festzustellen.
Barados zog sein Buschmesser aus der Scheide und hielt es den Schatten drohend entgegen.

Doch ließen diese Wesen sich nicht davon beeindrucken und kreisten Barados immer weiter ein.
Näher und näher kamen sie.
Dann hörte er Ogun lachen.
Allmählich raubten die Schatten ihm die Luft.
Barados wurde panisch. Er wollte sich aus dem Würgegriff der Schatten befreien. Allmählich dreht sich alles vor seinen Augen.
Er stürzte zu Boden.
Mit einem Mal wurde alles schwarz um ihn herum.

Als Barados erwachte, saß er auf einem Stuhl, an einem leeren Tisch. Es war ziemlich finster, fast schon schwarz, um ihn herum. Eine Kerze leuchtete den Tisch ein wenig aus. Mehr war aber von dem Raum nicht zu erkennen. Ihm gegenüber saß Ogun.

»Hallo, Barados, überrascht mich zu sehen?«, fragte sie ihn dann und war damit beschäftigt, sich betont lässig die Fingernägel zu feilen.

»Was willst du von mir? Warum hast du mich entführt?«, entgegnete Barados barsch.

»Wer wird denn gleich so ungehalten sein? Du wolltest doch einen Beweis. Den habe ich geliefert. So einfach ist das.« »Das soll ein Beweis sein? Mich einfach gegen meinen Willen zu verschleppen und hier gefangen zu halten?«
Barados sprang vom Stuhl auf und wollte Ogun an ihrem Arm packen.
Doch er griff ins Leere. Dort war kein Arm, den er greifen konnte.
Die ältere Frau war nur eine Art Hologramm, eine Projektion.
Sie war nicht persönlich vor Ort und nicht lebendig.

»Du falsche Schlange. Was in Gottes Namen willst du von mir?!«, schrie er sie jetzt an und bemerkte dabei, dass sein Schrei keinerlei Echo erzeugte. Die Schallwellen wurden einfach von dem finsteren Raum geschluckt.

»Ich will, dass du uns einen winzig kleinen Dienst erweist, mein Junge.«, entgegnete Ogun ruhig und feilte weiter an ihren Fingernägeln.

»Du kannst mich an meinem Bickli lecken, du Miststück. Ich werde nicht einen Finger für dich und deine hässlichen Schatten rühren.«

»Doch, das wirst du, Barados. Wir Ambalosis sind gekommen, um euch von der Unwissenheit zu befreien. Unser Geschenk ist das Glück und die Freude der Entwicklung. Karakum wird durch uns gerettet werden. Du bist auserwählt, uns dabei zu helfen, mein Junge. Du bist eine Art Auserwählter.«

»Das ich nicht lache. Wenn ihr uns helfen wolltet, dann würdet ihr es tun und müsstet mich nicht auf so eine heimtückische Art und Weise entführen. Karakum wird es auch ohne euch schaffen. Ihr seid für mich nichts anderes, als stinkende Aasfresser, die nach noch lebendiger Beute gieren.«

»Das Erdäum Karakum ist dem Untergang geweiht. Wir Ambalosis wollen es am Leben erhalten und euch helfen. Unsere Schatten kommen doch nur bei Nacht, um bei euch zu weiden. In der dunklen Nacht, da seht ihr sie ohnehin nicht. Ihr schlaft in der Nacht.«, meinte Ogun und sah ihn ernst an.
Offenbar war ihre Geduld nun etwas strapaziert.

»Nun kommen wir der Sache doch schon näher, gute Frau. Ihr wollt Karakum überleben lassen, nur um es auszubeuten. Was kann es wohl sein, was wir euch bieten können? Wie nennt ihr uns, das Erdäum Karakum? Eure Ungeheuer, die wollen wir hier nicht. Schafft diese Monster weg.« Barados war wütend.

»Das sehen weite Teile eurer eigenen Regierung aber ganz anders, Barados. Wir haben einen Pakt mit ihnen geschlossen. Sie wollen dieses Erdäum Karakum nur noch am Tag regieren. Wir wollen es in der Nacht, für unsere Schatten nutzen. Wir bezahlen sie mit dem Überleben. Die Schatten liefern uns etwas, was ihr ohnehin nicht kennt und von dem ihr niemals erfahren werdet. Was man nicht kennt, das vermisst man auch nicht, mein Junge. Also sei kein Narr. Folge auch du uns und helfe uns, dieses Erdäum, seine Menschen und deinen alten Vater zu retten. Er ist ein so lieber und guter Mann. Es wäre schade, würde auch er plötzlich sterben.«

»Angenommen, ich würde dir glauben. Wie könnte ich einfacher Bursche den Ambalosis schon helfen? Ich bin doch nur ein junger Kerl, bin nicht vermögend und habe noch keinen Beruf gelernt. Was wird zudem geschehen, wenn diese Schatten keine Nahrung mehr finden? Dann werdet ihr Karakum den Rücken kehren und uns dann doch einfach sterben lassen. So ist es doch, Ogun?«
Barados wirkte nun ruhiger, aber zweifelte nach wie vor an den guten Absichten dieser Frau.
Ogun war eine sehr dominante Frau. Sie war durchaus sehr hübsch, zumeist sehr freundlich, aber sie wusste auch genau, was sie wollte.

»Du kannst uns sehr gut helfen, Barados. Doch das erfordert, dass du eine einzige Aufgabe für uns erledigst. Nur eine einzige, eher leichte Aufgabe von dir, sie kann dieses Erdäum retten.«

Ungläubig sah Barados Ogun an. »Was für eine Aufgabe soll das sein?«

»Du sollst uns nur deine Schwester Memba vorstellen. Ich versuche schon seit sehr langer Zeit sie kennenzulernen. Sie ist ein hübsches Mädchen, und so klug ist sie dazu. Dein Vater kann stolz auf sie sein. Ich möchte sie nur ein einziges Mal und nur im Schutz und der Stille der Nacht treffen, um sie kennenzulernen und mit ihr ein paar Worte zu wechseln. Barados, mehr will ich nicht von dir verlangen. Das ist schon alles.«

»Du hast mich entführt, nur um meine Schwester kennenlernen zu können? Das soll ich dir glauben? Du bist so etwas von widerwärtig, Ogun. Was willst du wirklich von dem Mädchen? Es hat dir nichts getan. Wie kann sie uns von Nutzen sein, wenn es um die Rettung der ganzen Welt geht?«

»Wir benötigen sie als eine Art Übersetzerin für unsere Kontakte zu euch. Mehr steckt einfach nicht dahinter. Kommunikation ist eben alles und so unendlich wichtig, mein junger Freund. Das erfährst du ja bei unserem Gespräch hier selbst.«

»Ich glaube dir kein Wort, Ogun. Niemals werde ich meine Schwester den Ambalosis überlassen. Niemals!«
Barados war wieder wütender und konnte sich kaum mehr auf seinem Stuhl halten.
»Wo bin ich hier. Sofort lässt du mich nun frei, sonst...«

»Sonst was?«, fragte Ogun den jungen Mann ernst und kam ihm mit ihrem puppenhaften Gesicht ganz nahe. »Was willst du tun, Barados? Du bist nun in meiner Welt, weit weg von deiner Memba und deinem Vater. Wenn ich es wollte, könnte ich dich hier und jetzt einfach sterben lassen. Einfach so und hier am Tisch und mitten in der Finsternis würdest du auf deinen Tod warten. Ihr Menschen der niederen Erdäen, ihr seid einfach zu jämmerlich und so schrecklich ungebildet. Weißt du, Barados, ihr seid nicht mehr, als nur primitive Affen, im Gegensatz zu uns Ambalosis. Ihr erkennt einfach nicht, wann die Zeit eurer albernen Herrschaft abgelaufen ist. Das Geben ist um so vieles edler und schmackhafter, als ewig nur zu nehmen und zu nehmen und überzogene Forderungen zu stellen. Ihr Menschen hier, ihr ödet mich an. Eure Zeit der Forderungen ist vorbei, Barados. Für immer ist sie vorbei! Ihr werden Karakum mit uns und unseren Schatten teilen, ob ihr es wollt, oder eben auch nicht. Ihr habt keine Wahl. Verstehst du mich, du kleiner, stinkender Primat?«
Ogun sah in an. Ihre Augen schienen fast zu glühen.
Hätte sie beim Reden spucken können, so hätte sie es gewiss auch getan.
Doch sie war nicht wirklich vor Ort und so blieb Barados glücklicherweise nur die Vorstellung davon.

Kaum hatte sie ihren letzten Satz beendet, lichtete sich ihre Mimik wieder und ihre freundliche, ungemein weibliche Art, sie kehrte in ihr Gesicht zurück.
Ogun setzte sich wieder etwas zurück und seufzte.

Barados war sprachlos. Ihm war nun klar, dass mit den Ambalosis nicht wirklich zu Spaßen war. Er dachte an Flucht aus diesem finsteren Raum. Doch es war nicht zu erkennen, wie er das hätte anstellen können. Um ihn herum war alles schwarz, und nicht einmal ein räumlicher Hall war auszumachen.
Allmählich bekam Barados Angst. Hier geschah etwas, was er nicht kontrollieren konnte. Plötzlich sprang er auf und rannte einfach in die Schwärze hinein.
Es war ihm egal, würde er gegen eine harte Wand laufen oder eventuell in einen Abgrund stürzen. Er musste es einfach versuchen. In diesem Raum war er dieser Ogun völlig ausgeliefert.

Nach wenigen Schritten blieb ihm in der lichtlosen Finsternis die Luft weg.
Er schnappte gierig nach Luft, konnte aber nicht atmen.
Dann erkannte er in der Schwärze ein schwaches Licht flackern.
Mit Mühe gelang es ihm, sich dem Licht zu nähern.
Er hatte kaum noch Sauerstoff im Blut und ihn überkam Schwindel.
Die wenigen Schritte fielen ihm so schwer, wie Blei.
Mit letzter Kraft ließ er sich in den Lichtkegel fallen.

Er fiel hart auf den Boden und keuchte.
Endlich war er wieder in der Luft.
Einige Augenblicke kniete er mit gesenktem Blick auf dem Boden und erholte sich von den Anstrengungen. Als er seinen Blick wieder hob, erkannte er einen Tisch, einen leeren Stuhl und einen Stuhl, auf dem eine Frau saß.
Es war Ogun.
Sie feilte wieder gelangweilt an ihren Fingernägeln.
Barados war tatsächlich wieder dort, wo er zuvor schon gewesen war.
Wütend schlug er das Stuhlbein weg, so dass der alte Stuhl durch den kleinen Raum polterte. Ohne ein wenig Hall im Raum, hörte sich das seltsam an.

»Können wir nun fortfahren?«, meinte Ogun zu ihm und wirkte etwas genervt.

Barados hob den Stuhl auf und setze sich kraftlos wieder an den Tisch.
Er blickte sie wie ein Raubtier an, das jeden Augenblick zum Sprung ansetzen wollte.

Ogun zeigte sich davon natürlich unbeeindruckt.
Eigentlich war sie auch überhaupt nicht da.
Sie war nur ein Projektion.
Jeder Angriff von ihm, er wäre eine Farce gewesen.

»Du wirst meine Schwester nicht bekommen, du Teufel.«, fauchte er sie an.

Sie sah ihm in die Augen. Dann sprach sie einige Worte in einer ihm unbekannten Sprache. Offenbar wies sie jemandem im Hintergrund an, irgendetwas zu tun.

Plötzlich krachte sein Kopf, wie von einer unsichtbaren Geisterhand gepackt, brutal gegen die Tischplatte. Barados schrie vor Schmerzen auf.

»Du wirst uns helfen, Barados.«, meinte Ogun.
Daraufhin wurde sein Kopf plötzlich hochgehoben und erneut brutal auf die Tischplatte geworfen. Barados spürte, wie ihm das Blut aus der Nase und dem Mund lief.
Die Tischplatte färbte sich auf seiner Seite rot.
Sein Gesicht, es schien durch den Aufschlag regelrecht taub geworden zu sein. Nur das gebrochene Nasenbein, es ließ ihm einen harten Schmerz in den Kopf fahren.
Alles um ihn herum, es begann sich zu drehen.

»Niemals!«, schrie er Ogun an.
Das Blut aus seinem Mund, es hätte wohl ihre bunten Seidentücher übelst versaut, wären sie doch nur echt gewesen. Nur fiel das Blut so, durch Ogun hindurch, direkt auf ihre Stuhllehne.
Schon spürte Barados, wie sein Kopf erneut gegriffen wurde, als er plötzlich lautes Hundegebell hörte. Nervös sah sich Ogun um.
Das Bellen wurde lauter.
Noch während Barados halb in der Luft über dem Tisch hing, teilte sich plötzlich die Schwärze des Raumes, und gleißendes Licht strahlte blendend hinein.

Ogun hatte sich inzwischen erhoben und sprach Anweisungen in ihrer Sprache.

In der Schwärze des Raumes hatte sich eine Art Korridor gebildet, dessen finsteren Wände sich bis hoch zum Himmel erstreckten.
An seinem Ende näherte sich eine Person in dem Licht der aufgehenden Sonne, die direkt in den schwarzen Raum hinein strahlte. Vor dieser Gestalt liefen zwei riesige, schwarze Hunde, die mit wütendem Gebell die Finsternis vertrieben.
Alles sah sehr unwirklich aus.
Überall lösten sich schwarze Schatten aus der Wand und flogen regelrecht aus dem Verbund heraus.
Unzählige Schatten verteilten sich über den gesamten Himmel.
Der Raum wurde so allmählich immer heller und offener.
Dann erkannte Barados, wer die Person war, die diese beiden rettenden Hunde hielt.
Sie ließ die Hunde nun von der Leine.
Mit lautem Geheul jagten die beiden Vierbeiner den Schatten hinterher.
Seine Retterin, es war seine Schwester Memba.

 

Die Hunde rannten nun auf den Tisch und auf Ogun zu, die sich durch sie jedoch von ihnen nicht stören ließ.
Barados hatte noch niemals zuvor derartig große und wilde Hunde gesehen.
Beide Tiere preschten mutig vor und warfen heulend den Tisch um.
Nur noch wenige Schatten waren vor Ort, begannen aber bereits auch schon, sich fluchtartig zu entfernen.

Immer wieder sprangen die Hunde jaulend durch die Projektion Oguns hindurch, konnten sie jedoch nicht packen.

Als Memba dann schließlich vor Ogun stand, bekam Barados es mit der Angst zu tun. Doch seine kleine Memba, sie zeigte keine Furcht vor der Ambalosis.

»Du hast hier nichts verloren. Verschwinde aus Karakum, bevor wir euch alles Xyralum wieder nehmen, das ihr gestohlen habt.«, fuhr sie Ogun mutig an.

Doch Ogun lachte nur laut auf. »Das kannst du nicht, Memba. Die Macht der Xyrale ist begrenzt, und wir werden sie für immer brechen. Das Waagumal hat versagt. Seine Zeit ist abgelaufen. Wir nehmen uns nur das, was uns zusteht. Das werdet ihr Xyrale nicht verhindern können. Niemand kann das verhindern. Karakum ist schwach. Es wird vertrocknen. Das Erdäum Kavinisch mit seinen edlen Ambalosis jedoch, es wird gedeihen und zu jener Stufe erblühen, die ihm von Anbeginn der Zeit zugedacht war. Mit dem wenigen Xyralum wird es hier in Karakum keine Kultur mehr geben. Die Schatten weiden für uns nur das Xyralum ab, was hier ohnehin keiner mehr benötigt. Also verschwinde, Xyral und weine ruhig um dieses sterbende Erdäum.«, fauchte Ogun Memba an.

»Also habt ihr die Umbrae Mortis versklavt, um sie zum Abweiden des Xyralums zu zwingen. Es steht euch nicht zu, sie für eure Zwecke zu missbrauchen.«

»Erzähle mir bitte nicht, Xyral, was ich zu tun habe. Ihr tragt doch selbst die Schuld für den Stillstand des Waagumals. Wir Ambalosis wollen doch nur eure Fehler überleben. Von euch war keine Hilfe zu erwarten.«

»Hüte deine Zunge, Ogun der Ambalosis, sonst wird sie dir eines Tages herausgerissen werden. Niemand kann die Umbrae Mortis dauerhaft kontrollieren. Sie kontrollieren zu wollen, das macht alles doch nur noch schlimmer. Gebt euren Plan auf, Ogun. Geht zurück nach Ambalosis und freut euch darüber, mit dem Xyralum des Waagumals reich beschenkt worden zu sein. Ihr habt keine Ahnung von den Mächten des Universums. Nicht einmal die einflussreichsten und erfahrensten Xyrale kennen alle Erdäen und ihre Kulturen. Es wird das Chaos ausbrechen, gebt ihr nicht endlich diesen unsinnigen Plan auf.«

»Wir werden ihn niemals aufgeben. Verstehst du Memba, niemals werden wir das.«, meinte Ogun.

Die Projektion von ihr, sie löste sich langsam auf. Ohne das Xyralum der vielen Schatten hatte sie nicht mehr genug eigene Kraft, die Grenze zwischen den Erdäen gezielt zu übertreten.
Die beiden Hunde hetzten in der Zwischenzeit noch jaulend hinter den übrigen Schatten her, welche sich rasch über die weite Wiese entfernten. Die Gefahr, sie war zunächst gebannt.

So wendete sich Memba ihrem Bruder zu, der blutend auf der Wiese lag. Es war inzwischen Morgen geworden. Einige Vögel zwitscherten. Die Wiese war zwar trocken, aber dennoch grün.

»Memba, wie hast du mich gefunden?«, stotterte Barados. Er hatte zwar das Gespräch der beiden Frauen mit angehört, aber so gut wie nichts davon wirklich verstanden.

»Das war ganz leicht. Ich sah dich in der Dunkelheit. So folgte ich der Finsternis, um dich in ihr zu finden und dich aus ihr zu retten. Niemals hätte es mir verziehen, nicht nur Mutter und Lotis zu verlieren, sondern auch dich, du Dummkopf.«
Sie nahm ihn in ihre Arme und wischte ihm das Blut aus dem Gesicht.

»Hast du gehört, was diese Ogun wollte? Sie ist das Böse, das unsere Welt verschlingen will, Memba. Diese Schattenbiester, sie werden uns allen das Leben aussaugen.«

»Ganz ruhig, Barados. Das war alles etwas heftig für dich. Doch es gibt so viel mehr im Leben zu verstehen, als ein Mensch in einem einzigen Leben verstehen kann. Das ist eben die Grenze, die zwischen den Erdäen gezogen worden ist. Sie besteht, um trotz endlicher Körperlichkeit, dauerhaft Freude und Glück erfahren zu können. Die Bewahrer dieses Glücks, das sind die Xyrale. Ich bin ein Xyral, Barados. Von Geburt an bin ich es, so wie es unsere Mutter früher war und Lotis werden sollte.«

»Warum hast du mir niemals etwas davon erzählt, Memba?«

»Hättest du es mir geglaubt? Du hättest uns verantwortlich für das Unglück auf Karakum gemacht. Wir hätten dich verloren. Wir sind die Hüter des Xyralums in Karakum. Es ist eine unermessliche Kraft, die in unserem Erdäum keiner nutzen kann und von der kaum einer weiß. Wir leben eben in einer Zeit des großen Unglücks, das nicht nur auf Karakum beschränkt ist. Es droht das ganze Universum zu erschüttern.«

Dann kamen die beiden großen Hunde angelaufen und schleckten Barados durch das Gesicht, als wären sie zwei riesige Hundewelpen.

»Was sind das für sagenhafte Hunde, Memba? Woher hast du sie nur?«, fragte Barados, der sich seine Hände schützend vor sein Gesicht hielt.

»Das sind Rottweiler aus dem Erdäum Terra. Ganz liebe Gesellen sind das, Bruder. Solche großen Hunde haben wir hier in Karakum nicht. Ich habe sie aus Terra mitgebracht, um ganz sicher zu gehen. Es war eine große Anzahl Umbrae Mortis, die dich gefangen hielten. Wir Xyrale können zwischen den Erdäen reisen, musst du wissen, Barados.«

»Rottweiler? Das sind ja gewaltige Hunde.«, meinte Barados beeindruckt und wischte sich das Gesicht trocken.

»Ja, Hunde und Xyrale gehören zusammen. Hunde sind zudem Wesen, die zur Bilokation fähig sind. Sie haben die Fähigkeit, an zwei Orten gleichzeitig sein zu können. Wer jemals einen Hund träumen gesehen hat, der wird das wohl verstehen. Ihre Partnerschaft mit einem Xyral, sie macht es ihnen möglich, auch zwischen Erdäen reisen zu können. Sie benötigen jedoch stets die Unterstützung eines Xyrals. Sie selbst haben keinerlei Möglichkeit, das Xyralum für sich selbst einzusetzen. Sie nutzen eben ihre Fähigkeit zur Bilokation. Die Hunde gibt es dann tatsächlich und wirklich greifbar in beiden Erdäen. Zusammen sind Xyral und Hund eine perfekte Zweckgemeinschaft.«

Dann begann Memba seltsam tiefe Laute von sich zu geben.
Beide Hunde spitzten ihre Ohren und sahen sie aufmerksam an.
Sogleich schienen beide Memba in gleichen Lauten zu antworten und nahmen eine unterwürfige Haltung ein. Memba konnte beide Tiere ohne Mühe anleinen.
Danach half sie ihrem verletzten Bruder auf die Beine.
Beide gingen, zusammen mit den Rottweilern, die Wiese entlang.

»Was wollte Ogun von dir, Memba? Wieso wollte sie dich kennenlernen?«, fragte Barados.

»Ach, lieber Bruder, verschwende keine Gedanken an sie. Sie wollte mich nur töten.«

Barados blieb abrupt stehen und sah sie entsetzt an.

»Komm schon, Barados, wir müssen rasch zu Vater. Er wird sich sicherlich schon Sorgen machen.«

Kopfschüttelnd humpelte Barados hinter seiner kleinen Schwester her und versuchte zu den beiden Rottweilern möglichst großen Abstand zu halten. Rottweiler gab es in Karakum schließlich nicht. Man konnte nicht wirklich wissen, was sie vor hatten und wie sie tatsächlich tickten.

Autor: © Alexander Rossa 2019

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Eine ausgeprägte Fähigkeit zur Empathie und eine extrem hohe Sensibilität sind das Fundament all meiner Kreativität. Ich habe ein recht bewegtes Leben mit viel Tragik und Enttäuschungen hinter mir, ein schmerzlicher Umstand, den man in meinen Arbeiten an vielen Stellen wiederfinden wird. Diese Arbeiten sollen Menschen mit ähnlichen Erlebnissen versichern, dass sie nicht alleine in der Welt mit solchen Erfahrungen stehen... 
 

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